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Weltreise Stories "Vietnam"

Flucht in Hanoi

Unsere Herzen klopfen. Der Schweiß läuft (vielleicht liegt es auch einfach nur an den Temperaturen). Was machen wir jetzt? Fine und Willi fragen: "Warum können wir nicht einfach gehen?" Ja, warum eigentlich nicht? Was soll passieren? Halten sie uns fest? Rufen sie die Polizei? Oder ihre Kumpels? Das ist einer dieser Momente in denen wir ganz anders gefordert werden, als wenn wir ohne Kinder unterwegs wären. Im schlimmsten Fall zahlen wir einfach. Oder? Nee! Die kriegen kein Geld von uns. Also los! Augen zu und durch! Mirko mit Gepäck und Kinder zuerst. Anja hält sie in Schach und rennt dann hinterher.

Unsere ersten Eindrücke von Hanoi waren recht nüchtern. Der Straßenverkehr ist noch schlimmer als in Ulaanbaatar, überall Motorradfahrer, Gehupe, volle Straßen, Dreck und Abgase. Verkehrsregeln gibt es keine - außer - wer zuerst kommt, hat Vorfahrt! Das gilt auch für Fußgänger. Einfach drauflos laufen und hoffen, dass man der Stärkere ist. Am ersten Tag brauchten wir ewig, um eine kleine Straße zu überqueren. Wir hofften darauf, das irgendwo eine Lücke im Verkehr entsteht. Keine Chance. Aber man lernt ja dazu. Einfach losgehen, Motorräder, Autos, Busse und Fahrräder fahren um einen herum. 

Zum Glück buchten wir schon von Hongkong aus ein Hotel. Wir dachten, da wir ab Vietnam in einer ganz anderen Preisklasse leben, können wir uns mal ein nettes Hotel leisten. Für die ersten 7 Nächte, zum entspannen und ankommen im neuen Land. Der Name "Dong A Hotel" machte nicht viel her, aber Lage, Ausstattung, Fotos und vor allem der Preis bei booking.com überzeugten uns. Wir buchten die Deluxe Suite mit mit zwei Queensize-Betten, Balkon mit Blick über Stadt und See, mit Flachbild-TV, iPod-Dockingstation, Ankleidezimmer, Minibar, privatem Eingang, Sitzecke mit Sofa, extra Gäste WC und Zugang zur Executive Lounge (nur um einige der Annehmlichkeiten dieser Suite zu nennen). Sah ganz nett aus:

Was dann aber auf uns wartete, ärgert uns immer noch. Mal abgesehen davon, dass unser Zimmer fensterlos war, mit einem Einzelbett und einem kleinen Doppelbett, keines der Ausstattungsmerkmale zutraf (noch mal zur Erinnerung, wir buchten bei booking.com), winzig klein war und allerlei Tierchen beherbergte, wurde hier wohl noch nie geputzt. Der Boden war voll mit Haaren von Vorgängern und an den wenigen Möbeln (Bett, Schrank, Stuhl) türmte sich eine hohe Staubschicht. Der Kühlschrank (der keine Minibar war) roch nach verfaultem, schimmeligen Essen und verströmte schon nach kurzem Öffnen seinen Duft im ganzen Raum (ohne Fenster - keine Chance zum Lüften). Unser Einwand, wir hätten die Deluxe Suite gebucht, entlockte dem Hotelier nur ein müdes Lächeln und die Worte: "Die wird morgen frei, dann können wir umziehen."

Ein kleines bisschen Hoffnung bestand also noch. Ohne Kinder hätten wir die Situation sicherlich entspannter gesehen, aber wir sind nun mal als Familie unterwegs und nicht mehr auf die billigsten Hostels aus, wie früher als wir mit unseren Rucksäcken durch die Welt zogen. Wir brachten eine wenig erholsame Nacht hinter uns und freuten uns auf unser gebuchtes Frühstück. Für Fine und Willi gab es nichts zum Trinken (nur schwarzer Tee war da), für uns Erwachsene gab es einen Kaffee mit Milch in einer Espresso-Tasse, der scheußlich schmeckte. Ach ja, dazu gab es für jeden eine Banane und ein Gummi-Brötchen. Oh, jetzt hätte ich fast den Klecks Marmelade (Kaugummi-Geschmack) vergessen. Also liebe Reisende: Dong A Hotel in Hanoi ist nicht zu empfehlen. Während des "Frühstücks" beschlossen wir, gleich loszuziehen und nach einer besseren Unterkunft zu suchen. 

Wir blieben in den Gassen vom alten Hanoi und fanden schnell das Old Quarter Cyclo Hotel. Ein schmales, hohes, süßes Häuschen mit einem freien, sauberen Zimmer für uns, mit großem Fenster und zwei Queensize-Betten. Und dazu gab es noch Spielkameraden für Fine und Willi - die Kinder von der herzlichen Hoteliersfamilie lebten auch hier. Und ein herrliches Frühstück - und das alles für 15€ pro Nacht für 4 Personen, inklusive Familienanschluss mit Geburtstagsfeier :-)

Auf dem Rückweg zu unserem "Horror-Hotel" schmiedeten wir Pläne, wie wir unbemerkt unsere Sachen packen und auf dem schnellsten Wege verschwinden könnten. Das sollte aber problematisch werden, da wir leider für 7 Nächte gebucht hatten und eine Stornierung nur mit Bezahlung der kompletten 7 Nächte möglich war. Wir rechneten auch nicht mehr mit einem besserem Zimmer, da wir bestimmt 10 mal gefragt wurden, ob wir denn wirklich einen anderen Raum für die nächsten 6 Nächte haben wollen. Zum Glück gelangten wir schon am Morgen unter einem Vorwand an unsere Reisepässe (die an jeder Rezeption einbehalten werden). Während einer die Rucksäcke packte, diskutierte der andere mit dem (plötzlichen kein Englisch verstehenden) Mann hinter dem "Rezeptions-Tisch". Der wollte nun 150 US$ von uns, wenn wir gehen, obwohl die Deluxe Suite 109 US$ die Woche kostete. Unser schäbiges Zimmer wäre höchstens 30 US$ die Woche wert gewesen. Während wir diskutierten, telefonierte er mit jemanden und versuchte mich hinzuhalten. Als sich Mirko mit den Rucksäcken und den Kindern an mir vorbei schlich auf die Straße hinaus, knallte ich ihm schnell 15 US$ hin und rannte raus. Schnell verschwanden wir im bunten Treiben der Gassen von Hanois Altstadt.

Die Tücke mit der Brücke

Da war es wieder. Eines der Probleme, die eine Mutter hat, wenn sie ihre Kinder in Gefahr sieht aber der Papa komplett anderer Meinung ist. Also, Männer voraus und Fine mit Mama im großen Abstand hinterher (Fines Hand klebte dabei regelrecht an Mamas Hand fest und drohte wohl schon blau anzulaufen - was nicht an Fine lag). Vor uns erstreckte sich ein Highlight Hanois - die Long Biên Brücke. Von hier aus genießt man den schönsten Sonnenuntergang mit Blick auf Hanoi - stand im Reiseführer. Wir freuten uns auf die Flussromantik. Für Mirko: Höhepunkt des Tages (mit Kamera + Stativ) - für Anja: 2,4 km Höllentrip mit Schweißausbrüchen - für die Kinder: Abenteuer pur.

Wir spazierten, bzw. tippelten die Brücke entlang, die eigentlich eine rostige Eisenbahnbrücke ist. Die Bahn ratterte in der Mitte entlang, rechts und links davon war gerade soviel Platz, dass 3 Mopeds nebeneinander passten und auch nebeneinander fuhren, und ganz außen war ein Gehweg für 1 Person, daneben Geländer (teilweise nicht mal hüfthoch). Und tief unten der Fluss. So liefen wir, Mirko entspannt und gefesselt von der Aussicht, Willi entspannt auf Papas Arm, Fine relativ entspannt und gefesselt von Mamas Hand und Anja - angespannt, genervt vom Gehupe der tausenden Mopeds, angeekelt vom Gestank der Abgase, ängstlich vor der Gefahr der rücksichtslosen Mopedfahrer und dem Abgrund auf der anderen Seite. Was ich hier noch nicht erwähnt habe, unser Gehweg bestand aus max. 80cm schmalen Betonplatten, einzeln quer aufgelegt zwischen Stahlträgern. Das erkannten wir gut, da es einen luftigen Zwischenraum zwischen den Platten gab, der auch mal etwas größer war oder aus gebrochenen Platten bestand. Bauarbeiten auf dem "Gehweg" zwangen uns immer wieder auf die "Straße" auszuweichen. 

Dennoch, der Sonnenuntergang war herrlich und schon fast romantisch, wenn wir uns das ganze Chaos um uns herum wegdenken.

Ein verhexter Tag

Schon von weitem sahen wir hübsche Restaurants am anderen Ufer des Roten Flusses, nett beleuchtet, mit Blick auf den Fluss und die Stadt. Die Location für unser Abendessen stand fest und alle freuten sich. Vorher kamen wir noch an einem Spielplatz vorbei, mit Karussell, Hüpfburg und Rutsche. Die Freude bei unseren Kindern war groß. Da Hanoi sonst keine Spielplätze bietet, wollten wir uns hier bis zum Abendessen aufhalten. Die Restaurants waren in der Nähe, also kein Problem, wenn unser immer hungriger Willi nach etwas essbarem schreit. 

Nachdem das Karussell mehr defekt war, als es funktionierte, die Rutsche nicht rutschte und Willi kopfüber in ein Angelbecken mit Plastikfischen fiel (weil er die Fische ohne Angel fangen wollte) und wir für jegliches Benutzen der Spielgeräte zahlen mussten, brachen wir den Spielplatzbesuch ab und gingen mit einem nassen Kind in der Dämmerung Richtung Ufer. 

Von den 15 Restaurants, die malerisch am Ufer lagen, hatte keines eine englische Speisekarte, keine Bilder vom Essen und es verstand auch niemand englisch. Was sollten wir denn nur essen? Einfach raten? Alle hatten Hunger, Willi war nass und wir hatten verdammt noch mal einen stressigen Anmarsch über die Brücke bis hierher. Trotz mehrerer Versuche bei verschiedenen Restaurants - keine Chance. Mittlerweile war es stockfinster und wir befanden uns in einer Ecke von Hanoi, die wir nicht kannten und in der es wohl auch keine Touristen gibt. Meist sind die Menschen in solchen Ecken viel freundlicher, aber hier fühlten wir uns gar nicht wohl. Also, schnell ein Taxi anhalten und ab über die Autobrücke in unser Viertel. Das Taxi war schnell gefunden, unser Ziel - Hanoi Altstadt - einfach zu verstehen und gut zu finden (am anderen Ende der Brücke noch 50 m, dann können wir aussteigen). Das sah unser Taxifahrer anders. Einmal falsch abgebogen, gab es kein Zurück mehr. Trotz Anweisungen von Mirko nutzte er die nächste Chance zum Wenden nicht und fuhr wieder falsch. Keine Absicht. Er kannte sich nicht aus und telefonierte wild mit seinem Chef. Statt 25.000 Dong (1 €), stand auf unserem Taximeter nun 89.000 Dong (3,50 €) - hier in Vietnam ein riesiger Unterschied. Hungrig und genervt zahlten wir nur 25.000 Dong, nahmen die Entschuldigung des Fahrers an und ließen uns durch den Trubel der bunten Gassen vom Old Quarter Hanoi treiben. 

Aus 36 Gassen bestand einst Hanoi - das Old Quarter. Hier spüren wir das Leben dieser Stadt. Ähnlich wie damals finden wir auch heute noch ein Handwerk pro Gasse. Äußerst spannend und belustigend für Fine. Da gibt´s die Schneider-Gasse, die Schuh-Gasse, die Kräuter-Gasse, die Metallwaren-Gasse, die Spielzeug-Gasse und viele viele mehr. Trotz etwa 20 Läden pro Gasse mit scheinbar gleichem Angebot, scheint keinerlei Konkurrenz zu bestehen. 

Die meisten Low Budget Hostels finden hier ihren Platz und auch das ein oder andere bessere Hotel. Massen von Mopeds drängen sich die Straßen entlang, dazwischen Frauen mit riesigen Körben voller Waren und Fahrräder mit allem möglichen überladen. Cyclos (ähneln Rikschas) mit Touristen schlängeln sich geschickt hindurch und Einheimische, sowie Touristen bahnen sich ihren Weg durch den Wahnsinn.

Während tagsüber Waren sämtlicher Art angeboten werden, verwandeln sich die Gassen abends in ein riesiges Open-Air Restaurant. Winzige Plastikhocker reihen sich die Straßen entlang und überall duftet es nach Rauch, Kräutern, Fleisch und Reis. Man muss gar nicht in eines der unzähligen Restaurants, Bars oder Garküchen gehen. An jedem Haus wird irgendetwas gebrutzelt und angeboten. Die Anwohner sind emsige Geschäftsleute.

Nach 6 Tagen in Hanoi setzten wir uns in den Nachtzug nach Sa Pa - ein kleiner Ort in den Bergen im Norden von Vietnam.

Die Erlebnisse an unseren ersten Tagen in Hanoi könnten ein ganzes Buch füllen. Da das vielleicht auch gar nicht so abwegig ist, enthalten unsere Reiseberichte nur einen kleinen Teil unserer Reise. Viele spannende Geschichten könnt ihr dann später nachlesen.

Sapa

Sapa soll wunderschön sein, so heißt es überall. Hohe Berge, zahllose Reisfelder, vietnamesische Dörfer, kühlere Luft. Das gefiel uns. Wir sammelten Informationen über die Region und erfuhren, dass es unzählige organisierte 3-Tages-Touren gab und viel Werbung für die Bergregion im Norden Vietnams gemacht wird. Darauf hatten wir nun wieder gar keine Lust - feste Frühstückszeiten, zeitlich straff geplante Wanderungen mit 15 anderen, - nein danke, erst recht nicht mit den Kindern. Wir planten also selbst. Organisierten Zugtickets für die Nachtfahrt nach Sapa im Schlafwagen (Fahrzeit 8h) und buchten ein kleines Hotel im Ort. Wir wollten einfach nur wandern gehen, die Reisterrassen sehen und das eine oder andere Dorf anschauen. Und vor allem, dem Trubel und der Hitze der Stadt entfliehen.

Die Nachtfahrt war klasse, wie in allen anderen Zügen, die wir bisher erlebt hatten. Die Züge in Vietnam sind etwas sauberer als die russischen und etwas gemütlicher. Der Zug hielt in der Stadt Lao Cai ca. 35 km entfernt von Sapa. Vor dem Bahnhof standen schon unzählige Minibusse bereit, um den Strom an "Zug"-Touristen nach Sapa zu fahren. Wir stiegen in den nächst besten ein und fuhren in Serpentinen ca. 1000 Höhenmeter die Berge hinauf. Die Fahrt dauerte 1 Stunde und Willi wurde reisekrank. Er ningelte und übergab sich die ganze Fahrt über. Zum Glück saßen wir in der ersten Reihe und der Fahrer hatte Tüten und Papiertücher in seiner Sitztasche. Doch der erste Schwung ging natürlich über Arme, Beine und Kleidung von Mirko und Willi.

Schon nach wenigen Recherchen vor Ort stellten wir völlig ernüchtert fest, dass es nicht möglich war, einfach so zu wandern. Kaum vorstellbar. Entweder zahlten wir Eintritt für Wanderwege in Parks, um auf Gipfel und durch Dörfer wandern zu dürfen, oder mögliche Wanderwege waren so weit entfernt, dass wir ein Taxi für den ganzen Tag buchen mussten. In dieser Konsequenz und Klarheit haben wir das trotz Vorbereitungen nicht gewusst. Wir waren frustriert - zahlten Eintritt, um auf einen kleinen Gipfel zu steigen und buchten gleich im Hotel eine geführte Tagestour, um wenigstens einige der Postkarten-Dörfer zu sehen. Bei unserer Tour hatten wir jedoch Glück, da der Hotelier eine Route wählte, die von den Touristenwegen etwas abwich und so waren wir mit unserer kleinen Gruppe und dem Guide fast allein unterwegs, ohne vielen anderen Touristen zu begegnen. Mal abgesehen von den 6 in Trachten gehüllte Frauen der ethnischen Gruppen vor Ort (Hmong, Red Dao, Tay), die uns (und auch alle anderen Besucher) ungebeten ganztags begleiteten und versuchten, ihre Waren zu verkaufen, war die Landschaft einfach herrlich. Unser Wanderweg führte uns durch die Reisterrassen vorbei an den bulligen Wasserbüffeln, über Berge und Flüsse, durch Bambuswälder und kleine Dörfer. Wir erlebten die Kinderschar zum Pausenklingeln in der Dorfschule, Frauen an Webstühlen, asiatische „Vorrats-Tierhaltung“ und abenteuerliche Bambusbrücken.

Zurück in Sapa waren wir wieder gefangen im Touristen-Nest. Hmong-Frauen wichen uns und allen anderen nicht von der Seite. Bis zum Hotel wurden wir begleitet mit Bitten und Betteln, bezahlte Touren mit ihnen durch die Dörfer zu machen oder ihre Stick-Waren zu kaufen. Selbst die Kleinsten wurden schon trainiert, um Geld zu machen mit Fremden. 3 bis 6- Jährige mussten ihre kleinen Geschwister (oft Säuglinge) den halben Tag im Tuch auf dem Rücken tragen, die Babys wurden dabei recht „gewöhnungsbedürftig“ im Tuch herumgeschüttelt. Sie versuchten, Armbänder zu verkaufen und verlangten Geld für Fotos mit sich und den kleinen Babys auf dem Rücken. Unsere Fotos entstanden heimlich. Die einzige Pause bei diesem Zirkus erzwang manchmal das Wetter mit seinen Sturzregenfällen. Ach, fast hätten wir es vergessen. Die Dörfer durch die man läuft, bestehen oft zum Großteil aus Verkaufsständen. Wir dachten erst, wir könnten hier etwas über das Leben der Menschen erfahren, aber es ging leider oft nur ums Geld und um den Souvenirverkauf. Kein Reisbauer sprach mit uns, doch wurden wir in zahlreiche „Traditional Handcraft Shops“ geführt. Niemand war ernsthaft daran interessiert, seine Kultur anderen näher zu bringen - oder doch - gegen US Dollar. Grundsätzlich wahrscheinlich nachvollziehbar, doch dominierte hier ein knallharter Kapitalismus mit sehr professionellen Strukturen. Wir würden Sapa nicht unbedingt empfehlen, außer vielleicht etwas unabhängiger mit dem Motorrad. Es gibt sicherlich andere schöne Regionen, in denen man die Menschen einfach kennen lernen kann ohne dafür zu bezahlen.

Nach 5 Tagen in den Bergen fuhren wir zurück nach Hanoi. Wir übernachten dort noch einmal bei der netten Familie (der Abschied war sehr herzlich, mit Abschiedsgeschenken für Fine und Willi) und fuhren am nächsten morgen mit dem Zug nach Hué, dem ehemaligen Regierungssitz Vietnams.

Hué

Diesmal erlebten wir eine Zugfahrt der anderen Art – Mäuse und vietnamesische Seifenopern im Großraumwaggon + Upgrade in fremde Abteile mit Großfamilien. Danach verdienten wir uns eine Auszeit an einem privaten Traumstand. Wir buchten einen Tageszug nach Hué, da es laut Internet nur 9 Stunden Fahrt waren und einigten uns auf den Kauf von 4 Sitzen im Großraumwagen. Die 9 Stunden bringen wir schon ohne Bett irgendwie hinter uns. Unsere Kinder sind ja nun geübte Zugfahrer. Der Zug war fast leer und in unserem Waggon waren wir die einzigen Gäste – bis auf ca. 6 Schaffner, die sich bei uns die Zeit vertrieben. Fine und Willi wurden wieder mal zur Attraktion, wobei Fine langsam die Nase voll hat von dem Getätschel, Gesäusel und Fotoschießen. Willi dagegen scheint es immer mehr zu genießen. Sobald jemand sein Handy zückt, stellt er sich gekonnt in Pose.

Wir breiteten uns aus und genossen den schaukelnden Zug, der schon früh um 6 Uhr Hanoi verließ. Willi war noch im Schlafanzug, da wir ihn direkt vom Bett ins Taxi beförderten. Die Laune war bestens, die Sonne schien, der Himmel strahlte blau und die Aussicht auf einen Traumstrand war greifend nah. Selbst die kleine Maus, die in unserem Wagen mitfuhr und zwischen den Sitzen herumlief, sorgte nur für Belustigung unserer Kinder. Auch die Ameisen, die es immer mal wieder bis hoch auf unsere Arme schafften, störten uns kaum. Alle schienen entspannt. Willi spielte, Fine schlief, Mirko fotografierte und Anja träumte vor sich hin. Bis die Schaffnerin auf eine einfache Frage die für uns falsche Antwort gab. Eigentlich wollten wir nur wissen, ob der Zug nun kurz vor oder kurz nach 15 Uhr ankommt. Sie legte 5 Stunden drauf. Somit mussten wir statt 9 Stunden nun 14 Stunden im Zug sitzen und kamen erst um 20 Uhr in Hué an. Die Laune sank, die Maus störte, die Ameisen störten, der Hunger kam, das Essen war noch einige Waggons vor uns im 3. Klasse Holzabteil (es kommt frisch gekocht durch den Wagen und schmeckt prima, für 2,-US$ pro Portion). Willi war müde und wollte auf den Sitzen nicht schlafen. Na toll. 

Wir baten den Schaffner um ein freies Abteil mit Betten (dass so ein „Upgrade“ machbar ist, wussten wir). Er zeigte uns eins. Wir könnten am nächsten Bahnhof umziehen. Klang gut. Das funktionierte alles ohne englisch. An der nächsten Station war der Schaffner aber nicht mehr aufzufinden. Wir liefen in den besagten Waggon und fragten nochmal nach einem freien Abteil, aber niemand verstand uns. Was sollten wir jetzt tun? Das gezeigte Abteil war immer noch frei und wir setzten uns einfach hinein. Kurz später kam dann unser Schaffner und nickte die Aktion ab, nachdem er 15US$ von uns bekam. 1 Waggon hatte 8 Abteile mit je 6 Betten. Willi lag endlich und kam zur Ruhe. Die Augen fielen zu und … unsere Abteiltür flog auf. Mehrere Leute standen mit Gepäck davor und wollten hinein. Anscheinend waren alle Betten ausgebucht und wir sollten ins Nachbarabteil umziehen. Ok. Kein Problem. Für uns schien die Welt nun in Ordnung. Wir legten uns alle hin. Willi schlief gerade eine halbe Stunde, als die Abteiltür wieder aufging und eine Großfamilie davor stand. Der Mann schleppte gleich 3 riesige Säcke in unser Abteil. Mit verschlafenen Augen sahen wir uns fragend an. Und nun? Wir hatten den Schaffner schließlich ein ordentliches Trinkgeld für unser Upgrade gezahlt. Niemand sprach mit uns. Wir blieben einfach sitzen, die Familie vor der Tür stehen. Der Schaffner rannte aufgeregt mit angespannter Mine hin und her. Mutter und Kinder der Familie verschwanden irgendwo und der Mann blieb eisern vor unserer geöffneten Tür stehen, 45 Minuten. Bis der Schaffner die Leute aus dem Nachbarabteil in andere Abteile steckte und die Großfamilie neben uns einziehen konnte. Das war aufregend. Willi bekam davon nichts mit und schlief 3 Stunden durch, Elternschlaf fiel aber aus.

So kamen wir dennoch relativ entspannt in Hué an und erlebten 7 wunderschöne Tage an „unserem“ Strand. Diese Erholung tat allen gut nach der anstrengenden Zeit in Hanoi. Wir badeten im Meer, planschten in den Pools, spielten einfach nur im Sand vor unserer Villa oder besuchten das Fischerdorf. Und das die ganze Geschichte nicht ganz so paradiesisch klingt: wir hatten eine Handteller große Spinne innerhalb unseres geschlossenen Moskitonetzes im Bett. Ein riesiges asiatisches Exemplar der großen Winkelspinne. Die letzte Nacht verlief somit für ein Familienmitglied schlaflos ;-) 

Unser nächstes Ziel ist Saigon. Wir kauften 4 Tickets für ein 4-Bett-Abteil im Zug, genau wie schon in der Transsib in Russland. Das Ganze kostete uns 148 US$ aber dafür können wir entspannt und sorgenfrei reisen – für knapp 20 Stunden.

Saigon

m letzten Moment erreichen wir die Toilette. Plötzlich lautes Kreischen - wir zucken zusammen, schauen uns um - ein böser Blick - wir sind irritiert, was haben wir falsch gemacht? Der Finger der Klofrau zeigt unmissverständlich nach draußen. Das gibt´s doch nicht. Da steht tatsächlich ein Regal mit Badeschlappen. Sauber, duftend, kostenlos - das sind die Stadttoiletten in Saigon. Was wir nicht wussten: Straßenschuhe ausziehen - Badeschlappen anziehen - Geschäft verrichten - Badeschlappen wieder ausziehen - Straßenschuhe wieder anziehen - erleichtert den Spaziergang fortsetzen.

Eigentlich hatten wir die Nase voll von knatternden Motorrädern, lautstarkem Hupen, permanentem Geruch von Abgasen, Menschenmassen und fehlendem Platz zum Spielen. Die Städte stressten uns und sorgten für schlechte Laune. Beschauliche Städtchen, Berge, Wälder, Meer und Strand, Ruhe - so hatten wir es uns vorgestellt. Doch alle Bahn-, Bus- und Flugstrecken führen zwangsläufig in die großen, lauten Städte. Auf unserem Weg in den Süden Vietnams kamen wir daher um Saigon (Ho Chi Minh City) nicht herum.

Die Ankunft unseres Zuges war auch noch früh um 5 Uhr - das hieß: noch müde, fast schlafende Kinder durch die Stadt schleppen, irgendwie zu versuchen nicht selbst wieder einzuschlafen und dabei noch zwei große Rucksäcke und zwei mal Handgepäck unfallfrei zu transportieren. 

Allein die Aussicht auf ein bereits gebuchtes Hotelzimmer mit weichen Betten und noch 2 Stunden Schlaf bis zum Frühstück ließen uns durchhalten. Diesmal dachten wir sogar daran, uns per Mail bestätigen zu lassen, dass unser gebuchtes Zimmer auch ab 5 Uhr früh zur Verfügung steht.

Der Sicherheitsdienst war der einzige an der Rezeption, nachdem wir ihn durch Klopfen an der Scheibe aufweckten. Er war deutlich überrascht und wusste natürlich nichts von unserer Ankunft. Und, wie sollte es anders sein - unser Zimmer war belegt. So gab es bis zum Mittag ein kleines, dunkles, muffiges Zimmer mit Blick auf eine Hauswand. Nach 2 Nächten mit max. 5h Schlaf waren wir nun das Gegenteil eines Zen-Buddhisten. Das merkte auch der Mann hinter dem Tresen schnell, sein Morgen war nun auch versaut. Saigon überzeugte mit angenehmeren Temperaturen, weniger verrücktem Verkehr, einem sehr netten Backpacker-Viertel, geheimnisvollen kleinen Verbindungs-Gassen in den Hinterhöfen und vor allem mit seinen vielen Spielplätzen und Parks. Schon früh um 4 Uhr lösten die bettflüchtigen Vietnamesen die müden Partygänger auf der Straße ab. Händler boten ihre frischen Waren an, Motorräder bahnten sich ihren Weg durch die Stadt und die Bewohner brachten ihren Kreislauf auf den vielen öffentlichen Fitnessgeräten und Laufstrecken in Schwung. 

Wir genossen endlich wieder herrliche Stadtspaziergänge und erkundeten mit Freude die verschiedenen Viertel. Egal ob Museen, Tempel, der schön angelegte Zoo oder die unzähligen bunten Märkte - jedes Familienmitglied kam auf seine Kosten. 

Wir erlebten glücklicherweise ein mehrtägiges Festival direkt vor unserer "Haustür" und ließen uns von den Gerüchen, Klängen und Lichtern treiben. Das war der perfekte Zeitpunkt, die für den Europäer außergewöhnlichen Delikatessen zu probieren. Selbst Ratten liegen hier auf dem Grill, doch uns wurde versichert, dass es sich dabei nicht um die zahlreichen fetten Stadt-Ratten handelt. Diese allerdings jagten unsere Kinder mit Begeisterung durch Parks und durch Open-Air-Restaurants.

Ursprünglich sollte unsere Weiterreise über den Mekong-Fluss bis nach Kambodscha führen, genau wie im Fernsehen. Da es genug deutsche Agenturen gibt, die eine Schiffsreise von Saigon bis Siem Reap anbieten (mind. 2.000,- € pro Person für 7-8 Tage), wäre die ganze Sache vor Ort bestimmt günstiger zu bekommen - dachten wir. Es stellte sich aber heraus, dass hier in Vietnam gar keine Schiffsreisen verkauft werden. Wir hätten nur die Möglichkeit von Saigon bis nach Phnom Penh 4h mit dem dröhnenden engen Schnellboot zu fahren und dann 8 Stunden in den Nachtbus weiter bis Siem Reap zu steigen. Das wollten wir unserem reisekranken Willi aber nicht zumuten. So blieb für uns nur der kurze (1h) und teure (500 €) Flug. Das Mekong-Delta wollten wir uns aber dennoch nicht entgehen lassen und suchten nach einer preisgünstigen Variante diesen Fluss zu entdecken...

Mekong Delta

"Das ist die richtige Tour für euch." Ganz kurze Anfahrt mit dem Bus (wegen Willi), kleine Gruppe, Specialpreis. Übernachtung bei Einheimischen mit Kochkurs. Die freundliche Dame am Tourenschalter klang glaubwürdig und wir freuten uns auf eine 3-Tages-Mekong-Tour. Natürlich kam es anders. Wir hätten es ahnen sollen. In Vietnam ist wohl nie das drin, was drauf steht...Morgens, kurz nach 8 Uhr. Wir folgten der freundlichen Dame die Straße entlang, zweimal um die Ecke, geradeaus, weiter geradeaus. Sie schaute suchend, fragte mehrere Busfahrer und Tourguides irgendetwas und deute uns an zu warten. Wir warteten. Eine Weile. Ein Bus nach dem anderen hielt an. Zig Touristen stiegen ein und aus. Die Dame fragte. Wir warteten. Dann ließ uns einer einsteigen. Leider zu spät. Die vordersten Plätze waren schon belegt. Willi bekam zwar von uns einen Saft gegen Reiseübelkeit, aber vorn sitzen und rausschauen hilft immer ganz gut. Kein Problem für unseren neuen Guide für die nächsten 3 Tage. Schnell wurden die vorn sitzenden vietnamesischen Touristen protestierend nach hinten verlegt und wir hatten freie Sicht. Mit ein wenig schlechtem Gewissen. Die Fahrt dauerte natürlich viel länger. Die Tour verlief anders als gebucht und die Gruppe war - ja, ihr ahnt es vielleicht - groß, sehr groß. Aus höchstens 15 Leuten wurden plötzlich 37 reisende Touristen. Am darauf folgenden Tag fuhren wir sogar 4 Stunden und am letzten Tag 8 Stunden mit dem Bus. Wir regten uns nicht auf. Wir ahnten es. So ist Vietnam. Wenn Fine und Willi im Bus nicht gerade aßen oder schliefen, dann bespaßten sie lautstark die ebenfalls lauten Asiaten oder schauten Filme (auf unserem neuen Smartphone, für gelangweilte Kinder auf langen Fahrten, gebraucht erworben auf dem Markt in Saigon, voll funktionstüchtig, lebensrettend für genervte Eltern und Mitreisende).

Unsere Tour war dennoch ein absolutes Highlight unserer Vietnam-Zeit. Am ersten Tag verließen uns schon einige, die nur eine Tagestour gebucht hatten und am zweiten Tag fuhren wir nur noch zu sechst weiter. Wir probierten leckeren Honigtee auf einer Bienenfarm, fuhren mit Ruderbooten durch die Mangroven und Palmwälder, besuchten eine Open-Air-Bonbon-Fabrik (Süßigkeiten aus Kokos) und ließen uns durch die verzweigten Arme des Mekongs zu den schwimmenden Dörfern schippern. 

Auf der Speisekarte standen diesmal auch Schlange, Frosch und Ratte - vorher lebend zu begutachten. Wir probierten nichts davon und blieben lieber bei exotischen Früchten (Riesenlitschi und Tamarinde).

Bei starkem Regen kamen wir mit unserem Boot fast im Dunkeln an. Zum ersten Mal für die Kinder übernachteten wir in einem Homestay, das sind einfachste Unterkünfte bei einheimischen Familien. Wir ließen uns die selbst zubereiteten Frühlingsrollen und andere Köstlichkeiten schmecken. Fine war Meisterin im Rollen und Willi war Meister im Essen. Wir saßen mit vier deutschen Backpackern gemeinsam am Tisch und genossen es uns seit langem mal wieder mit anderen in Deutsch auszutauschen. Kurz vor dem Schlafengehen gingen Mirko und Fine mit Lampe auf Entdeckungstour und fanden allerlei "Krachmacher" und Krabbeltiere im finsteren Wald rings um unsere urige Hütte aus Palmwedeln. Wecken um 5 Uhr, Frühstück um 05:45 Uhr: ein notwendiges Übel, da wir das Treiben bei den schwimmenden Märkten nicht verpassen wollten.

Ganz anders als befürchtet, liebte Willi die Bootstouren. Noch bevor alle saßen, hörte man ihn laut rufen: "LOS, LOS!" Auch Fine war begeisterte Mekong-Entdeckerin. Das lag nicht nur an abenteuerlichen Bootsfahrten, sondern auch an ihrer neuen Freundin aus unserer Reisegruppe. 

Wieder mal waren Fine und Willi die einzigen Kinder. Viele junge Backpacker unterwegs waren begeistert von unseren Mäusen und überrascht, welchen Spaß kleine Kinder auf solch einer Reise haben. Rucksackreisen mit Kindern ist möglich und leicht machbar. Klar gibt´s auch stressige Situationen, aber die gibt es in Deutschland auch, mehr als genug. Allerdings sollte man mindestens einen Gang runter schalten, was die "Sehenswürdigkeiten" angeht (Anzahl und Tempo).